Kriterien für die Auswahl statischer Erdungsanlagen
Der Stand der Erfahrung bei der Auswahl von Lösungen zum Schutz vor Zündgefahren durch elektrostatische Ladungen in Ex-Bereichen reicht von Personen, die derartige Schutzlösungen zum ersten Mal spezifizieren, bis hin zu Experten, die dies regelmäßig tun.
Obwohl die Bedeutung von elektrostatischen Ladungen bei der Zündung potenziell brennbarer Atmosphären im Allgemeinen weniger bekannt ist als andere Zündquellen, wie beispielsweise elektrische oder mechanische Funken, gibt es doch eigens zu diesem Thema eine ganze Reihe von internationalen Normen und Verfahrensempfehlungen. Diese bieten einen breit gefassten Überblick über Prozesse, bei denen es zu elektrostatischen Entladungen kommen kann.
1. Verfahrensempfehlungen
Zwei Dokumente, die einen breit gefassten Überblick über elektrostatische Ladungen und ihre Rolle als Zündquellen bei Tätigkeiten in EX/HAZLOC-Bereichen geben, sind NFPA 77 „Recommended Practice on Static Electricity“ (Empfehlungen für den Umgang mit statischer Elektrizität) und IEC TS 60079-32-1 „Explosive Atmospheres, Electrostatic Hazards, Guidance„*.
* Diese technische Spezifikation wurde von CENELEC übernommen und trägt den Namen CLC/TR 60079-32-1 „Explosionsgefährdete Bereiche. Elektrostatische Gefährdungen – Leitfaden“.
Auch wenn in einem solchen Dokument nicht jeder einzelne Prozess, bei dem die Gefahr der Entstehung elektrostatischer Ladungen besteht, Beachtung finden kann, werden doch häufig verwendete Metallobjekte wie Tanklastzüge, Eisenbahnkesselwagen, Intermediate Bulk Container (IBCs), Fässer oder Behälter wie FIBCs betrachtet.
Abschnitt 13.1 in IEC TS 60079-32-1:
13.1 Allgemeines
Die bei weitem effektivste Methode für die Vermeidung von Gefahren durch elektrostatische Ladungen besteht in der Verbindung aller leitenden Komponenten mit der Erde. Dadurch lässt sich das am weitesten verbreitete Problem umgehen, nämlich die Aufladung eines Leiters und die Freisetzung praktisch der gesamten gespeicherten Energie in Form eines Funkens hin zur Erde oder zu einem anderen Leiter.
Allgemein ausgedrückt lässt sich durch die Erdung elektrisch leitender Objekte, die im Rahmen von Prozessen verwendet werden, bei denen elektrostatische Ladungen entstehen können, eine Aufladung dadurch vermeiden, dass die Potentialdifferenz des Objekts in Bezug auf die Erde ausgeglichen wird.
„3.3.22 Erdung. Der Prozess der Verbindung eines leitenden Objekts mit der Erde, sodass das Objekt Nullpotential hat, wird auch als Erdung bezeichnet.”
Wenn man zulässt, dass sich ein Objekt (beispielsweise beim Befüllen eines elektrisch isolierten Metallfasses) auflädt, dann kommt es sehr wahrscheinlich auch zu einem Spannungsanstieg. Dabei kann die Spannung des Objekts einen Wert über der Durchschlagspannung der Atmosphäre erreichen, die den Bereich um eine potenzielle elektrostatische Entladung umgibt. Die primäre Gefahr besteht darin, dass die Energie der elektrostatischen Entladung über der Mindestzündenergie der brennbaren Atmosphäre am Ort der Entladung liegt. In diesem Fall kann es zur Zündung kommen.
Im Handbuch von Newson Gale zu Fragen der Erdung und des Potentialausgleichs werden jene Prozesse genannt, bei denen die Gefahr von elektrostatischen Zündfunken in Ex-Atmosphären besteht.
Das Handbuch beinhaltet die folgenden Themenbereiche:
- Beispiele für Prozesse, die häufig mit elektrostatischen Zündungen in Zusammenhang stehen.
- Was versteht man unter elektrostatischen Ladungen und warum sind sie eine ernstzunehmende Zündquelle in Ex-Atmosphären?
- Ein breites Lösungsangebot, mit dem Gefahrstofftechniker und QHSE-Beauftragte (zuständig für Fragen der Qualität, Gesundheit, Sicherheit und des Umweltschutzes) die Einhaltung relevanter Verfahrensempfehlungen nachweisen können.
2. Benchmark-Werte für den elektrischen Widerstand
Abschnitt 7.4.1.3.1 in NFPA 77:
7.4.1.3.1 Wenn das Potentialausgleichs-/Erdungssystem vollständig aus Metall besteht, liegt der Widerstandswert der durchgängigen Erdungspfade in der Regel unter 10 Ohm. Zu derartigen Systemen gehören auch solche, die mehrere Komponenten umfassen. Größere Widerstandswerte zeigen für gewöhnlich an, dass der Metallpfad nicht durchgängig ist, z. B. aufgrund von gelockerten Anschlüssen oder Korrosion.
Der elektrische Widerstand zwischen dem zu erdenden Objekt und dem Erdreich ist die kritische Benchmark für Erdungssysteme, die im Rahmen von Prozessen zum Einsatz kommen, bei denen es zu einer elektrostatischen Aufladung kommen kann. Obwohl ein Widerstandswert von 1 Megohm in Bezug zur Erde im Allgemeinen als geeignet für die Ableitung von elektrostatischen Ladungen gilt, sprechen sowohl IEC TS 60079-32-1 als auch NFPA 77 davon, dass ein Widerstandswert über 10 Ohm in einem Metallkreis (einschließlich des zu erdenden Objekts) auf lose, korrodierte oder unterbrochene Verbindungen hinweisen kann. Auch wenn viele Erdungssysteme den Widerstandswert von Verbindungen im Bereich von 1 Megohm überwachen, gilt der in IEC TS 60079-32-1 bzw. IEC TS 60079-32-1 empfohlene Wert von 10 Ohm oder weniger (R ≤ 10 Ω) als Benchmark für eine Prozessfreigabe.

Abschnitt 13.2.2 „Praxisrelevante Kriterien“ in IEC TS 60079-32-1:
Der Widerstandswert von Metallobjekten mit einem guten Erdkontakt sollte unter 10 Ω liegen. Obwohl ein Wert bis 1 MΩ für die Ableitung von elektrostatischen Ladungen als akzeptabel gilt, sind Werte über 10 Ω ein Hinweis auf entstehende Probleme (z. B. Korrosion oder eine sich lockernde Verbindung), die untersucht werden sollten. Es ist wichtig, dass sämtliche Verbindungen absolut zuverlässig sind und es zu keiner Qualitätsminderung kommt.
Die Eingangskriterien eines Widerstandswerts von 10 Ohm oder weniger (R ≤ 10 Ω) können daher als primäre Bedingung für eine Erdungslösung festgelegt werden, die eine intakte Verbindung zwischen einem Objekt und dem verifizierten Erdungspunkt des Standorts anzeigen soll.
Die Verbindung zur Erdmasse kann über die Erdungskreise sowie die Blitzschutzkreise des Standorts hergestellt werden. An vielen Standorten kommen zweckbestimmte, fest installierte Erdungsstäbe zum Einsatz, die einen Pfad für die Ableitung elektrostatischer Ladungen hin zur Erde bereitstellen.
Zweckbestimmte Erdungsstäbe sowie Erdungs- und Blitzschutzkreise sollten regelmäßig überprüft werden, um sicherzustellen, dass über die gesamte Nutzungsdauer des Systems eine niederohmige Verbindung zur Erdmasse vorliegt.
Auch Zwischenverbindungen, wie beispielsweise Sammelschienen, sollten regelmäßig überprüft werden, damit zwischen dem Erdungspunkt der Prozessanlagen und dem verifizierten Erdungspunkt stets eine niederohmige Verbindung gewährleistet ist.
Abschnitt 7.4.1.3.1 in NFPA 77:
„Ein für Kraftstromkreise oder den Blitzschutz akzeptables, dauerhaftes oder festes Erdungssystem ist für den Schutz vor elektrostatischen Ladungen mehr als ausreichend.”

Abschnitt 13.4 in IEC TS 60079-32-1 Einrichtung und Überwachung von Erdungssystemen
13.4.1 Aufbau
„Wenn das Potentialausgleichs-/Erdungssystem vollständig aus Metall besteht, liegt der Widerstandswert der Erdungspfade in der Regel unter 10 Ω. Zu derartigen Systemen gehören auch solche, die mehrere Komponenten umfassen. Größere Widerstandswerte zeigen für gewöhnlich an, dass der Metallpfad nicht durchgängig ist, z. B. aufgrund von gelockerten Anschlüssen oder Korrosion. Ein für Kraftstromkreise oder den Blitzschutz akzeptables Erdungssystem ist für den Schutz vor elektrostatischen Ladungen mehr als ausreichend.“
3. Optische Erdungsanzeige
Tagtäglich anfallende Erdungs- und Potentialausgleichsaufgaben werden in der Regel von Prozessmitarbeitern oder Fahrern durchgeführt. Um den Mitarbeitern und Fahrern dabei zu helfen, die Verfahrensanweisungen für die Erdung zu befolgen, kann eine optische Erdungsanzeige hilfreich sein.
Sie erinnert die Mitarbeiter und Fahrer daran, den Prozess erst dann zu starten, wenn der korrekte Erdungsstatus der Anlage bestätigt wurde. Dies kann z. B. ein Verfahren unterstützen, das vorsieht, dass zuerst die Klammer angebracht werden muss und dass sie auch erst wieder im absolut letzten Schritt wieder abgenommen werden darf. Gewährleistet wird dies, indem die Mitarbeiter oder Fahrer daran erinnert werden, dass vor Prozessbeginn (z. B. dem Befüllen eines IBC) zunächst eine verifizierbare Erdverbindung vorliegen muss und dass diese auch erst nach Prozessende wieder aufgehoben werden darf.
Normalerweise wird die Prozessfreigabe durch grün blinkende LEDs angezeigt. Blinkende Anzeigen bedeuten hier, dass das Erdungssystem den Widerstandswert der Verbindung zu den Anlagenteilen kontinuierlich überwacht und dass der Gesamtwiderstand des Erdungskreises zwischen dem Objekt und dem verifizierten Erdungspunkt am Standort während des gesamten Prozesses 10 Ohm oder weniger beträgt.
Liegt der Widerstand der Erdverbindung über 10 Ohm, leuchtet die Anzeige nicht grün. Dies könnte ein Hinweis auf eine sich lockernde oder bereits gelöste Verkabelung oder auch auf Produktablagerung oder Farbschichten sein, die eine zuverlässige elektrische Verbindung zu den Anlagenteilen verhindern.
4. Verriegelungen
Neben einer optischen Anzeige können auch Erdungssysteme verwendet werden, die über Ausgangskontakte verfügen und somit zusätzlichen Schutz bieten.
Derartige Systeme, die in der Regel spannungsfreie (potentialfreie) oder eigensichere Kontakte beinhalten, können dazu dienen, eine Freigabe für Geräte und Systeme wie Pumpen oder SPS-Steuerungen zu erteilen, wenn die Eingangsbedingung des Erdungssystems (z. B. das Vorliegen eines Widerstandswerts R ≤ 10 Ohm) erfüllt ist.
So können die Standortverantwortlichen die Regel „Erster Schritt = Anbringen der Klammer – Letzter Schritt = Abnehmen der Klammer“, die in den Verfahrensanweisungen zur Erdung enthalten ist, durchsetzen und gewährleisten, dass der Prozess erst dann beginnt, wenn dem Erdungssystem signalisiert wurde, dass alle Bedingungen für eine Freigabe der Prozessanlagen vorliegen, die die Produktbewegung steuern.
5. Zertifizierung
Vor der Spezifikation von Systemen zum Schutz vor elektrostatischen Ladungen müssen sämtliche Informationen zur Zoneneinteilung von Gefahrenbereichen (ATEX/IECEx) oder die entsprechenden Angaben zu Class und Division (Nordamerika) sowie Einzelheiten zum Ort der Installation und des Betriebs der Systeme vorliegen.
Nur so können die im Erdungssystem integrierten Schutztechniken für den Einsatz in den betreffenden Bereichen durch Dritte zertifiziert werden.
6. Installation
Es macht keinen Sinn, Systeme mit Ex-Zertifizierung zu spezifizieren und dann bei der Installation die vom Hersteller bereitgestellten Hinweise und Anweisungen in der Bedienungsanleitung zu ignorieren.
Im Falle von Installationen, bei denen die in der Bedienungsanleitung bereitgestellten Herstellerangaben nicht beachtet wurden, kann die Zertifizierung wie auch die Betriebserlaubnis des Systems erlöschen.
Es ist wichtig, dass der Standortbetreiber bzw. die beauftragte Elektroinstallationsfirma sicherstellen, dass der Installateur über die erforderliche Kompetenz zur Installation von Geräten und Systemen verfügt, die für die Installation und den Betrieb in Gefahrenbereichen zertifiziert sind. Vom Standpunkt der Zertifizierung aus unterliegt die Bedienungsanleitung der Dokumentenlenkung.
Sie wurde von der externen Zertifizierungsstelle geprüft und zugelassen und sollte vor Beginn der Installationsarbeiten gelesen werden. Unter keinen Umständen darf der Versuch einer Installation unternommen werden, ohne vorher die Bedienungsanleitung des Herstellers gelesen zu haben.
7. Mitarbeiterschulung
Da bei der Mehrheit der Anwendungen die Mitarbeiter für die Erdungs- und Potentialausgleichssysteme verantwortlich sind, sind die folgenden Punkte sehr wichtig:
a) Die Mitarbeiter müssen geschult werden und verstehen, warum elektrostatische Ladungen bei der Erledigung alltäglicher Aufgaben eine Zündgefahr darstellen.
b) Die Mitarbeiter müssen in der korrekten Anwendung der Systeme und Geräte zum Schutz vor elektrostatischen Ladungen geschult werden.
Wenn dies unterbleibt, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass sie die durch elektrostatische Entladungen hervorgerufenen Risiken nicht verstehen. Wenn es die Prozessgegebenheiten erlauben, kann das Prinzip „Erster Schritt = Anbringen der Klammer, Letzter Schritt = Abnehmen der Klammer“ in die Verfahrensanweisung für die Erdung aufgenommen werden. Werfen Sie auch einen Blick auf den Grad der Kontrolle.
Anwendungen
Die Prozesse, bei denen es zur Entstehung von elektrostatischen Ladungen kommen kann, sind zu zahlreich für eine detaillierte Darstellung.
Dennoch bietet dieses Handbuch zu Fragen der Erdung und des Potentialausgleichs einen allgemeinen Überblick über einige der Prozesse, die in IEC TS 60079-32-1 und NFPA 77 genannt werden, sowie weitere Informationen über elektrostatische Ladungen als potenzielle Zündquelle.
